Selbstentfaltendes Konfliktlösen bei Kleinkindern

dscf0223_ausschnitt_am_kleinsten.jpgIch schrieb ja hier schon letztens, dass öfter ein gleichaltriger Nachbarsjunge bei mir und meinem 2-jährigen Sohn zu Besuch ist. Wie das in dem Alter halt so ist, muß es dann halt manchmal unbedingt der grüne Bagger sein und die Kompromißfähigkeiten sind da erstmal recht eingeschränkt.

Der übliche Umgang der Erwachsenen mit diesem Thema ist von viel „Lass dass!“ und „Gib das zurück!“, „Nein, das tut man nicht!“ begleitet und selten besonders erfolgreich. Ich hatte mir eigentlich immer vorgenommen so nicht mit Lino umzugehen, sondern eine gleichberechtigte, respektvolle Beziehung im Sinne gegenseitiger Selbstentfaltung zu leben. Doch: „Was tun?“ (Wie Lenin sagen würde) Ich war zunächst ziemlich ratlos.

Auf der Sudbury-Mailingliste ging es auch mal um das Thema. Da wurde dann von einigen die Auffassung vertreten, dass man das einfach ignorieren solle. Sie würden sich schon nicht umbringen und mit Konflikten umgehen lerne man nur, wenn man sie austrägt. Theoretisch konnte ich das zwar irgendwie nachvollziehen, aber ich bringe es einfach nicht fertig ein Kind zu ignorieren, dass offensichtlich aufgelöst ist und leidet (und ich glaube auch nicht, dass man das fertigbringen sollte).

Dort hörte ich auch das erste Mal vom „Spiegeln“. Man solle den Kindern keine Entscheidungen abnehmen, aber sie darin unterstützen, die eigenen Gefühle und die Gefühle des anderen wahrzunehmen („Lino weint“, „Bernhard will den grünen Bagger haben“). Das hab ich dann mal ausprobiert kam mir aber ehrlich gesagt ziemlich bescheuert vor. Da schwebte ich irgendwie von meinem Erwachsenenplaneten in diese völlig andere Kleinkindwelt und blieb doch aussen vor. Aber vom Prinzip her klang das sinnvoll.

Etwas später war ich auf einer Infoveranstaltung der Aktiven Schule Frankfurt. Da erzählte eine Mitarbeiterin, wie sie das Spiegeln betreibt. Sie geht dabei auch körperlich auf die Kinder zu, setzt sich zu ihnen auf den Boden und ist ganz bei ihnen. Das hab ich dann auch versucht umzusetzen und hab vor allem getröstet und wieder viel „Guck mal, Bernhard weint“ oder „Weinst Du weil der Lino Dir den grünen Bagger weggenoimmen hat?“ gesagt. Und siehe da: Das funktioniert tatsächlich! Die wissen ganz von alleine was in der gerade aktuellen Situation das Beste ist. Mal wird der grüne Bagger zurückgegeben, mal tuts dann doch der Blaue, den man großmütig überlässt, mal ist auf einmal eh was ganz anderes interessant. Die konkreten Lösungen sind eigentlich meistens ziemlich egal, aber was man merkt ist eine unglaubliche Befriedigung, selbst eine Lösung gefunden zu haben.

Also: Wenn mal wieder jemand bei einem Streit auf der Arbeit, auf einer Mailingliste oder in irgendeinem Politzirkel sagt: „Mann, das ist ja wie im Kindergarten hier!“, dann geht großzügig über diese Kinderdiskriminierung hinweg und versucht es mal mit Spiegeln (Die Übertragung auf erwachsenengerechte Sprache und erwachsenengerechtes Verhalten überlasse ich euch als Hausaufgabe).

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