Auslaufmodell GEMA

Die GEMA ist die deutsche Verwertungsgesellschaft für Musik und damit einer der wichtigsten Exekutoren des Urheberrechts. Eigentlich verwertet sie selbst nix, sondern leitet nur Geld um: von Musiknutzern zu Musikmachern (auch Inkasso genannt). Minus der Summe, die sie selbst verbraucht (14% der Einnahmen). Von der Verteilungssumme bekommen weniger als ein Zehntel der Mitglieder 70%, der Rest (mehr als 90%) teilt sich den Rest (30%) — eine Art Taschengeld sozusagen.

Im folgenden will ich mir die GEMA ein wenig ansehen, ein paar Probleme benennen sowie bekannte Lösungsvorschläge dazu und einen Ausblick in die Zukunft wagen.

Ein Blick in die Zahlen

Die Einnahmen der GEMA stiegen 2006 gegenüber dem Vorjahr, allerdings unterproportional im Verhältnis zur Musiknutzung und höchst unterschiedlich verteilt nach Nutzungssparten. Tonträger schürzen weiter ab (-14,1% bei einem Anteil von 27,5% am Gesamtvolumen), Internet trotz Anstrengungen auch (-36,4% bei 0,4% Anteil). Aufgefangen wird dies durch den traditionellen Bereich der Abgaben für die Aufführung von Musik (+3,6% bei über 50% Anteil), worin ein Fußball-WM-Effekt enthalten ist (+31% bei Fernsehwiedergaben). Die Angaben in Geschäftsbericht und Zusammenfassungen sind nicht gerade einfach zu lesen und teilweise widersprüchlich.

Unterm Strich ist das traditionelle Geschäft das Standbein der GEMA. Internet spielt bei den Einnahmen kaum eine Rolle. Könnte man das Urheberrecht im Web mal eben durchsetzen, gingen hier wohl die meisten Einnahmen flöten. Der Tonträgereinbruch ist wirklich spürbar, und der hat mit der Tendenz zur stärkeren Onlinenutzung zu tun. Obwohl also aktuell die Zahlen rosig sind, macht sich die GEMA begründeterweise um die Zukunft Sorgen.

Verteilung der Kohle

Der Taschengeld-Charakter der GEMA-Einnahmen ist für die übergroße Mehrheit der Musiklieferanten nicht erfreulich. Aber man nimmt mit, was man bekommt, denken wohl viele. Zu den Musiklieferanten zählen nicht nur die »Urheber«, sondern auch die »Verleger und Rechtsnachfolger«. Sie machen rund ein Siebtel der GEMA-Mitgliedschaft aus, und wohl nicht zufällig ist ihr Anteil an der Tantiemenausschüttung nicht separat ausgewiesen.

Wer seine Musik frei geben will, muss entweder dafür wiederum selbst an die GEMA zahlen, eine Freistellung beantragen oder auf die GEMA-Mitgliedschaft und damit eine Tantiemenausschüttung verzichten. Dennoch gibt es zunehmend auch GEMA-freie Musik, darunter auch freie GEMA-freie Musik, also solche, die unter einer freien Lizenz steht (meist Creative Commons).

Es ist gut möglich, dass sich die Tendenz zu GEMA-freier Musik massiv verstärken wird, und zwar als Ergebnis eines Netzwerkeffektes, den Creative Commons ausgelöst hat. Jüngstes Beispiel ist der NDR, der zwei Sendungen (Zapp und Extra3) unter einer CC-Lizenz zum Download ins Netz gestellt hat. Im einem Beitrag zur Nutzung von CC erklärt der NDR, dass die Redakteure nun aufpassen müssen, keine Musik zu verwenden, für die bezahlt werden muss — also meistens GEMA-Musik. Je mehr Sendungen also CC-lizensiert freigegeben werden — da sie ja durch die Gebührenzahler »schon bezahlt« seien, so das nachvollziehbare Argument von NDR-Chef Plog –, desto weniger GEMA-Musik wird verwendet und desto weniger Tantiemen fließen an die GEMA. Das könnte sich schon bald auf der Einnahmeseite negativ niederschlagen.

Ihrer eigenen Logik gemäß ist die GEMA eine knallharte Verfechterin eines strikten Urheberrechts und einer rigorosen Durchsetzung desselben. Einzelne Filesharing-Hoster wurden rechtlich angegangen (wie RapidShare und UseNext). Und wenn die GEMA an das BitTorrent-basierte Filesharing denken würde, würde ihr wahrscheinlich schlecht werden. Schafft sie aber nicht (s.u.). Es ist absehbar, dass die Betonlinie im Internet nicht funktioniert. Inzwischen wurde die Internetschiene an eine eigenständige Verwertungsgesellschaft (CELAS) abgegeben — was am Problem nix ändert.

Weitere Kritiken an der GEMA nennt der Wikipedia-Artikel.

Alternativvorschläge

Auch wenn die Verwertungslogik insgesamt abgeschafft gehört, ist es völlig legitim, über alternative Einnahmeformen nachzudenken, solange sich jede/r Einzelne verwerten muss, um das eigene Überleben zu sichern. Leider gibt die es die zugehörige Kritik an der grundsätzlichen Inhumanität, sich verkaufen zu müssen, meist bei alternativen »Verwertungsmodellen« nicht. Damit ist vorab schon klar, dass die Alternativvorschläge sämtliche keine (wie auch immer ferne) Perspektive enthalten, vom Zwang, sich zu Geld zu machen (sich verdingen), loszukommen.

Es gibt im wesentlichen zwei große alternative Formen der Geldumleitung in die Taschen der Urheber/innen: Individualverwertung und Content-Flatrate.

Nachdem DRM vom Tisch ist (bei voller Userkontrolle wäre auch Individualverwertung möglich), setzt die Individualverwertung auf GEMA-freie Musik. Blenden wir hier die unfreiem GEMA-Freien, die sich auf Spezialbereiche konzentrieren, einmal aus, dann bleiben die freien GEMA-Freien. Freie und möglichst massenhafte Verteilung der Musik ist hier Werbung für Live-Events, bei denen dann ordentlich zur Kasse gebeten wird. Die gestiegene Bedeutung von Live-Auftritten in der Verwertungskette ist ablesbar an den stark gestiegenen Eintrittspreisen. Offenheit und Netzwerk schlägt hier Kontrolle, Beschränkung und kommerziell vergebene Werbung. Ein Gutteil der höheren Einnahmen resultiert auch daraus, dass hier die sog. »Intermediates«, also Vermittler und Vertreiber, eingespart werden, die auf konventionellem Weg einen Großteil der Einnahmen einbehalten. Individualverwertung ist vor allem ein Modell für Kleine.

Die Content- oder Kulturflatrate (kurz: Kulturflat) ist als Pauschalabgabe auf Breitbreit-Internetanschlüsse konzipiert. Das Konzept hat eine Reihe von Unterstützern gefunden (1|2|3|4|5). Dass die Urheberlobby dagegen ist, überrascht nicht, die deppenartige Argumentation allerdings schon: Es würde

»der Anreiz für künstlerisches Schaffen auf den Nullpunkt gebracht«.

Die Einnahmen einer Kulturflat würden anteilig an die Urheber (nicht nur Musikschaffende) ausgeschüttet. Was aber heisst »anteilig«, wie wird der Anteil bestimmt? Hier fangen die Probleme an und hören beim Verwaltungsmonster nicht auf, das die ganze Umverteilerei vornimmt. Letztlich müsste eine umfangreiche Internetkontrolle aufgebaut werden. Das fänden die staatlichen Lauschbehörden sicherlich ganz interessant und wären gerne behilflich.

In der Piratenpartei schließlich werden noch Spendenmodelle diskutiert, aber die werden wohl nicht die Prominenz wie die Kulturflat erlangen. Die Position »Ablehnung einer sonstwie gearteten Kulturflatrate, Gema, GEZ« formuliert sehr treffend:

»1. Es entstünde ein Verteilungsschlüssel für die eingenommenen Gelder, welcher auf die Kulturschaffenden aufgeteilt wird, das bedeutet letztendlich mehr Kulturschaffende, mehr Geld einzuziehen, höhere Abgaben. Eine Kulturflatrate ist letztendlich nichts anderes als eine Rundfunkgebühr in Groß, jedoch mit viel größerer Ungerechtigkeit.
2. Egal, wie man sie ausgestaltet, es wird immer eine Einladung zur Bevorteilung und zur Datensammlung sein und einen noch mächtigeren Staat fördern, wir hätten dann öffentlich-rechtlich angestellte Provisionsmitarbeiter als Künstler!«

Oder noch kürzer: »Zwangsabgabe als Kulturflat ist … nöch grösserer Murks als GEZ und GEMA zusammen.«

GEMA ist ein Auslaufmodell

Wäre ich ein positivistischer Fakten-und-sonst-nix Denker, dann gäbe es angesichts gestiegener Einnahmen der GEMA nichts zu befürchten. Daran glaubt die GEMA aber selbst nicht so ganz. Nicht umsonst jammert sie:

»Am properierenden Geschäft der Musikdistribution im Internet nehmen die Musikautoren bislang nicht in angemessener Weise teil.« [src]

Hallo GEMA, ist euch klar, was ihr da aussagt? Also mal langsam auseinander genommen:

  • properierende Musikdistribution: Ja, es wird immer mehr Musik über’s Internet verteilt, v.a. über das Filesharing.
  • Geschäft: Ja, es gibt auch immer mehr Shops, aber eigentlich sind die Filesharing-Hoster gemeint, stimmt’s? Also die, die ihr immer als „illegale Verbreiter“ denunziert. An deren Gewinnen wollt ihr jetzt beteiligt werden?
  • Musikautoren … nehmen … nicht angemessen … teil: Wie sähe denn eine größere Teilnahme aus? In dem die Musikautoren von der GEMA abspringen und GEMA-frei sich selbst verwerten?

Nein, in eurer Welt kann alles so bleiben wie es ist, nur ordentlich lizensiert soll es sein:

»Die GEMA fordert Share-hoster, Usenet-Access-Provider und Internetradio-Mitschnittdienste dazu auf, sich nicht der urheberrechtlichen Verantwortung für ihre Angebote zu entziehen und entsprechende Lizenzverträge für die Nutzung des GEMA-Repositories abzuschließen« [ebd.]

Mal von der technischen Unbeholfenheit (Internetradio-Mitschnittdienst??) abgesehen, ist der »Vorschlag« völlig wirklichkeitsfremd. Die angesprochenen Dienste sind entstanden, weil die User ein Bedürfnis nach Filesharing und Internetradio haben und zwar unkontrolliert und möglichst kostenfrei. Stellt man am Nutzungspunkt nun eine Kasse auf, sind die User so schnell weg, wie die GEMA gar nicht denken kann. Die User würden auf andere Weise ihr Bedürfnis nach Sharing und Using befriedigen, zum Beispiel in Peer-to-Peer-Netzwerken (auffällig, dass diese in der o.g. Liste der GEMA fehlen). Der Aufruf der GEMA ist eine Aufforderung zur totalen Kontrolle der User, und dass wissen auch die unangenehmen Absahner und Trittbrettfahrer wie UseNext und Co. Die Trittbrettfahrer versuchen mit den Bedürfnissen der Leute Kohle zu machen, aber sie sind nicht so blöd, die User, die sie sanft abzocken wollen, auch noch zu gängeln und zu verärgern.

Diese Form der Erzwingung von Verwertung nach dem überkommenen Urheberrecht funktioniert im Internetzeitalter schlicht nicht mehr. Dort ist die GEMA jedoch mental noch nicht angekommen. Das kann sie letztlich ihre eigene Existenz kosten.

Zukunftsorakel

Also mal ein paar Jährchen weitergedacht und wild spekuliert. Die Musikdistribution übers Internet prosperiert weiter. User lassen sich vielleicht hier und da locken, und es wird clevere Nutzungspunkte mit Kassen geben (a la iTunes), aber dafür muss auch schon sehr viel Aufwand getrieben werden. Grundsätzlich werden User teilen, remixen und nutzen, was das Zeug hält. Druck an der einen Seite führt zum Ausweichen auf eine andere Seite. Kontrolle ist nicht herstellbar.

Es wird immer attraktiver, Musik GEMA-frei zu halten. Damit wird das Angebot wachsen, was die Attraktivität weiter steigert bis die kritische Masse erreicht ist und die Post abgeht. Wer nun noch auf GEMA setzt, ist out. Megaout.

Damit werden die Einnahmen der GEMA einbrechen. Diese reagiert zuerst erwartet, ruft nach dem Gesetzgeber und versucht hilflos Daumenschrauben zum Selbstanlegen anzupreisen. Doch nichts nutzt. Irgendwann ist ein Krisenpunkt erreicht, und erst jetzt werden Sinnfragen diskutierbar: Warum GEMA? Wen vertritt die GEMA eigentlich? Warum Urheberrecht? Warum Verwertung? Warum … — na, wir werden sehen;-)

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