Commons und Open Access

Manche Zusammenhänge liegen auf der Hand. Es muss doch immer mal wieder eine vorbei kommen, und sie formulieren, bevor ich sie sehe. Silke Helfrich vom CommonsBlog hat das für den Zusammenhang von Commons und OpenAccess für mich in einem Kommentar getan: Bei rivalen Gütern führt OpenAccess (also freie Nutzung) von Commons (also Gemeingütern, auch Allmende genannt) unweigerlich zur Übernutzung mit der Folge der Zerstörung der Commons.

Nun kam Garrett Hardin daher und hat das flugs verallgemeinert: Gemeingüter führen immer zur Übernutzung — bekannt geworden unter dem Titel »Tragedy of the Commons«. Der Witz bei lokalen Gemeingütern ist jedoch, dass sie meist kein OpenAccess kennen, sondern bestimmte Nutzungsregeln haben, um genau jene Übernutzung zu verhindern, die Hardin stets automatisch kommen sieht. Hardin ist noch in anderer Hinsicht schräg, aber das sei hier mal ausgeblendet. Mir geht es um was anderes…

Silke Helfrich gibt nämlich Hardin dann doch recht, sobald es um globale Gemeingüter geht, weil diese ja nicht reguliert werden (können) und keine Nutzungsregeln kennen, globale (stoffliche) Commons also immer per OpenAccess zugänglich sind. Als Beispiele nennt sie das Klima und die Biodiversität.

Aber stimmt das denn, gilt immer: »Commons + freier Zugang = Übernutzung«? Liege ich mit meinem Aha-Erlebnis vielleicht doch falsch (und mit mir alle, die es schon zu wissen meinten)? — Das war mein Verdacht, irgendwie erstmal nur so ein Gefühl, noch unbegründet. Dann habe ich mir folgendes überlegt.

Sphärenspaltung

Ich denke nicht, dass der fatale Zusammenhang von Commons und OpenAccess ein naturgegebener ist, sondern das der nur besteht, wenn die Ressourcen aus den Commons in eine andere Sphäre transportiert werden, die sich ignorant gegenüber der Quelle verhält. Diese andere Sphäre kann zum Beispiel die Kriegswirtschaft im antiken Rom (Abholzen des Mittelmeerraumes) oder die Verwertungslogik des Kapitalismus sein (Abholzen des Amazonasraumes).

Wenn aber Nutzen und Commons in einer Sphäre existieren, der Nutzer also grundsätzlich ein Interesse an der Erhaltung und Förderung der Commons hat, weil diese seine Entfaltungsbedingungen darstellen, dann sehe ich keinen prinzipiellen Grund, warum Commons und OpenAccess nicht zusammen gehen können — auch nicht die räumliche Distanz. Das wäre dann eine vergleichbare Logik wie wir sie (ansatzweise) in der Freien Softwarebewegung als positive Rückkopplung bei der Selbstentfaltung kennen: Die Selbstentfaltung ist die Voraussetzung für die Entfaltung der anderen und umgekehrt. Wenn also die Commons eigene Entfaltungsbedingung sind, dann wird sich auch eine robuste positive Rückkopplung (die auch free-rider erträgt) einstellen und die Commons werden erhalten.

Nun gibt es im Kapitalismus leider die blinde und zudem subjektlose Raubnutzungslogik: Beute die Commons aus und mache Reibach, und zwar möglichst rasch bevor die anderen es machen. Das schadet uns — die wir die blinde Logik vollziehen — zwar auch stets, aber da sich Verwertungsnutzen und Lebensschaden in getrennten Sphären und oft auch räumlich und sozial getrennt vollziehen, ist das Problem weder lös- noch regulierbar. Jedenfalls nicht im Kapitalismus.

Transformation

Für die gesellschaftliche Transformation geht es unter den aktuellen Bedingungen folglich — um es salopp auszudrücken — um die Aufhebung der Sphärenspaltung von Ökonomie und Leben, um ein Wiedereinbetten von Produktion als Produktion des Lebens und seiner Bedingungen. Ok, weit weg, so ganz und gar kein Kapitalismus mehr, schwer vorstellbar. Wie dahin kommen, wo aktuell auf jeden Fall die Formel gilt »Commons + freier Zugang = Übernutzung«?

Anders gefragt: Wie müssen Regeln formuliert werden, damit Commons global funktionieren können? Wie kann die Gleichung so umformuliert werden: »Commons + regulierter Zugang = nachhaltige Nutzung«? Diese Frage hat Christian mit dem Peerconomy-Konzept beantwortet, ein Vorschlag liegt vor [Silke, was sagst du dazu?]. Wie ich anderenorts schrieb, ist die Peerconomy für mich ein Übergangskonzept, weil dort immer noch Geben und Nehmen über feste Regeln miteinander verkoppelt sind. Eine freie Gesellschaft ist erst jene, die das nicht mehr braucht — und das ist grundsätzlich möglich. Und, so die optimistische Aussage von Nick Dyer-Witheford, die Natur der neuen Commons ist es, sich auszubreiten: »Commonism scales« [via].

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